Heimlich, still und leise plant die Hamburger Behörde für Justiz und Verbraucherschutz zum 01.09.2023 den skandalösen Abschluss eines Vertrages zur Vereinbarung einer “Übernahmegarantie von Betreuungsfällen” mit einzelnen beruflichen Betreuerinnen und Betreuern. Die Vertragsnehmer sollen Haushaltsmittel in Höhe von bis zu 85.000,00 € an Stelle der gesetzlich vorgesehenen Vergütung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (kurz: VBVG) erhalten und dafür zur Vermeidung von Behördenbetreuungen die Abnahme von 20 Betreuungsverfahren mit besonders komplexer Fallgestaltung innerhalb eines Jahres “garantieren”. Mit der beabsichtigten Vereinbarung ignoriert die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz nicht nur die gesetzlichen Regelungen des Betreuungsrechts in den §§ 1814 ff. BGB, sondern verletzt auch massiv den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die Berufsfreiheit zu Lasten zahlreicher engagierter Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer, die in Hamburg bereits seit Jahren Betreuungen mit komplexen Fallgestaltungen führen und dafür die gesetzlich vorgesehene Vergütung nach dem VBVG erhalten.
Sofern die Betreuungsbehörde zukünftig auf einen vertraglich verpflichteten Personenkreis im Rahmen der Betreuervorschläge zurückgreifen will, dürfte auch ein Zustand geschaffen werden, der es den Betreuungsgerichten nicht mehr erlaubt, einen im Einzelfall geeigneten Betreuer i.S.d. § 1816 Abs. 1 Satz 1 BGB zu bestellen, wobei der Gesetzgeber auch die Behördenbetreuung im Ausnahmefall im § 1818 Abs. 4 BGB ausdrücklich vorgesehen hat.
Die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz argumentiert, dass die Vereinbarung lediglich der „Freihaltung“ von Kapazitäten diene. Diesbezüglich dürfte sich indes die Frage stellen, aus welchem Grund sodann nicht lediglich eine Vergütung in Höhe des VBVG ausgelobt worden ist und zwar unter der Vereinbarung, dass ein beruflicher Betreuer auch tatsächlich Kapazitäten “freihält”.
Eine Rechts- oder Ermächtigungsgrundlage für das Vorhaben der Behörde ist nicht ersichtlich. Zudem hat der Gesetzgeber die Ablehnung einer Betreuung aufgrund “komplexer Fallgestaltung” gerade nicht vorgesehen. § 1819 Abs. 1 BGB sieht vor, dass die vom Betreuungsgericht ausgewählte Person verpflichtet ist, die Betreuung zu übernehmen, wenn ihr die Übernahme unter Berücksichtigung ihrer familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnisse zugemutet werden kann. Die Übernahmepflicht trifft insoweit die vom Betreuungsgericht als Betreuer ausgewählte natürliche Person. Die Übernahmepflicht gilt für jeden Individualbetreuer, auch für einen Vereins- oder Behördenbetreuer (BeckOK BGB/Müller-Engels, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 1819 Rn. 2).
Die Behörde dürfte mit ihrem Vorhaben ausschließlich das Gegenteil von dem erreichen, was sie sich vorgestellt hat: Engagierte Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer, die so verärgert sind, dass die Übernahmebereitschaft im Bereich von Betreuungsverfahren mit komplexer Fallgestaltung rapide sinken wird.
Vielleicht hätte sie sich eher auf Bundesebene dafür stark machen sollen, dass der Bundesgesetzgeber eine angemessene Vergütung für berufliche Betreuerinnen und Betreuer umsetzt, die Ausnahmetatbestände für besonders komplexe und arbeitsintensive Betreuungsverfahren vorsieht. Für Vormünder ist eine solche Regelung im § 3 Abs. 3 VBVG zumindest für den Fall eines vermögenden Mündels bereits vorgesehen.
Es bleibt abschließend zu hoffen, dass die Rechtstaatlichkeit in betreuungsrechtlichen Verfahren in Hamburg auch zukünftig erhalten bleibt.